Du liebst historische Romane oder Krimis? Dann kommst du an dieser Stadtführung nicht vorbei:

Der Zeitzeuge des Konstanzer Konzils lässt dich in die Geschichte der größten Stadt am Bodensee eintauchen.

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Unser Sprung in die Vergangenheit

Begrüßt wurden wir, vor der Tourist-Information Konstanz*, von einem Mann in blauen Strumpfhosen und einem gelben Umhang.

Nach einer Reihe abfälliger Bemerkungen über die seltsamen Kutschen (Autos) und die heutige Mode der Damen (Hosen waren in seiner Zeit undenkbar) und Herren heutzutage, stellte sich uns dieser doch recht seltsam gekleidete Herr vor.

Es handelte sich um Ulrich Richental, Sohn des Stadtschreibers und berühmter Chronist des Konstanzer Konzils. Er hatte – wie durch ein Wunder – die letzten 600 Jahre überlebt und freute sich, den Gästen von nah und fern „seine“ Stadt zu zeigen. Als Zeitzeuge des Konzils kennt er jede Geschichte, jede Anekdote und jeden Winkel der Stadt.

Der Chronist wurde zwischen 1356 und 1360 als Sohn des Stadtschreibers Johannes Richental in Konstanz geboren. Zur Zeit der Papstwahl war Richental etwa 55 bis 60 Jahre alt. Sein genaues Geburtsdatum ist unbekannt.

Konstanz; Auf Zeitreise mit Ulrich Richental
Darf ich vorstellen: Ulrich Richental

Zurück in die Vergangenheit; Willkommen in  1414 bis 1418

In diesen Jahren fand in Konstanz der größte Kongress des Mittelalters statt. Im Konstanzer Konzil* fand die erste und einzige Papstwahl auf deutschem Boden statt. Das große Los erhielt die Stadt, weil diese ein Bischofssitz war. Zweiter Austragungsgrund: Es gab ausreichend Unterkünfte für die Gäste.  

Das Konzilgebäude* wurde von 1388 bis 1391 erbaut und hatte ursprünglich die Funktion einer Markthalle. Im heutigen Sprachgebrauch also ein Kaufhaus. 

Während im unteren Saal zu dieser Zeit noch die Waren lagerten, wurden im oberen Saal 56 Wahl-Zellen eingebaut. Man mauerte die Fenster zu. Geduldet für die Papstwahl waren ausschließlich Räume mit Kerzenlicht. 

Richental erzählte uns, Konstanz hatte zu dieser Zeit nur 6 000 Einwohner. Dennoch musste die Stadt insgesamt 72 000 Gäste beherbergen. Der Chronist zählte zu dieser Zeit 700 Dirnen (dt. Prostituierte). Um die Versorgung der Gäste aus aller Welt zu sichern, holte man 73 Geldwechsler (darunter den Bankier Cosimo Medici), 230 Bäcker, 70 Wirte, 225 Schneider und 310 Barbiere zusätzlich nach Konstanz.

Verrückte Welt, oder?

Das Hohe Haus

Richental führte uns weiter zum Hohen Haus. Tatsächlich wurde das Gebäude im Jahr 1295 gebaut. Die aufgemalte Jahreszahl ist ein Übertragungsfehler aus der Barockzeit. 

Das Haus verfügt über fünf Stockwerke. Es wurde vom Bischof von Konstanz, Heinrich von Klingenberg (Thurgau), verwaltet. Sein Bruder, Albrecht von Klingenberg, war damals der Vogt von Konstanz. Gemeinsam zählten sie im 13. Jahrhundert zu den mächtigsten Männer der Stadt. Während des Konzils (der Papstwahl) brachte man hier die hohe Gesellschaft unter. 

Ulrich Riechental berichtet uns, das man während der Fastenzeit Fisch oder Hühner den Gästen servierte. Undenkbar wenn man die eigentlichen Regeln der katholischen Kirche betrachtet.

Er erklärt uns auch wie der Schwan aufs Festessen kam:

Ein brauner Schwan wurde gebraten inklusive einiger Hühner. Weisser Schwan wurde geschlachtet weil er das schönere Federkleid hatte. Die Federn nähte man anschließend zusammen und zog sie auf ein Drahtgestell. Dieses wurde dann auf das Fleisch gesetzt. Irgendwie finde ich das doch ziemlich grausam. Ich bin froh, dass die heutigen Schwäne nicht mehr auf der Festagstafel landen. 

Die Malereien an der Hausfassade stammen von dem Künstler Brandes. Sie zeigen das Leben des Fischmarktes in den alten Tagen des Mittelalters.

Das Geburtshaus von Ulrich Riechental

Ganz stolz zeigte uns der Chronist sein Wohnhaus, in dem auch schon sein Vater gelebt hat. Es befindet sich bei St. Stephan, in der heutigen Wessenbergstraße. 

St. Stephan

Unser letzter Halt war die Stephanskirche. Sie gilt als die älteste Kirchengründung in Konstanz.

St. Stephan war während des Konstanzer Konzils Tagungsort des päpstlichen Gerichts, also der sogenannten „Sacra Romana Rota”. Die Versammlungen waren damals sehr laut. Die dort gewonnenen Prozesse feierte man oftmals mit einem Umtrunk. Den Chorherren der Kirche blieb so meist nichts anderes übrig, als ihre Messen auf frühere Stunden zu verlegen.

Richental erzählte uns, dass man beim Konklave oder Konzil-Treffen eine menge Geduld benötigte. Bevor es richtig losgehen konnte, wurde erst einmal stundenlang über die Sitzordnung der jeweiligen Teilnehmer diskutiert. Immerhin kamen zu dieser Zusammenkunft Bischöfe, Kardinäle und Priester aus Italien, Deutschland, Frankreich und Spanien in St. Stephan zusammen.

Während des Konzils ähnelte die Stadt einem großen Jahrmarkt oder einer großen Messe. Rund 1.400 fremde Dienstleister wurden während des Konzils in der Stadt gezählt. Allein 70 Schankwirte und 330 italienische Bäcker boten in den Gassen ihre Waren an.

Mit Imperia zurück in die Gegenwart

Wieder beim Konzil-Gebäude angekommen, fiel mein erster Blick auf die neun Meter hohe Skulptur der „Imperia“. Ulrich Richental oder eigentlich Henry Gerlach erzählte uns am Anfang unserer Führung einiges über dieses außergewöhnliche Kunstwerk.

Seit 1993 steht die Imperia am Konstanzer Hafen.

Sie verkörpert eine der 700 Dirnen aus der Konzilszeit. Der Gestalter der Statue Peter Lenk zeigt hier die künstlerische Doppelmoral der Teilnehmer. Denn eigentlich war die damalige Kirchenversammlung als Wiederherstellung der kirchlichen Einheit und Reinheit einberufen worden. Ironischerweise hast du von dem Kunstwerk einen direkten Blick auf das Konzilgebäude. Dort wurde 1417 von dem dort beherbergten Konklave Martin V. zum Papst gewählt. Wenn Du genau hinschaust, siehst du eben diesen sitzend in der emporgehaltenen linken Hand der Statue. In Form eines Gauklers. Gegenüber, auf der rechten Hand, befindet sich ein weiterer Gaukler mit Krone und Reichsapfel. Er ähnelt mit seinem charakteristischen Bart auffällig Sigismund von Luxemburg, dem König, der das Konzil in Konstanz initiiert und wesentlich mitbestimmt hatte.

Eines muss man den Konstanzer Bürgern lassen, Ironie und Witz haben sie…

Mein Fazit zur Stadtführung

Als großer Fan von geschichtlich inszenierten Führungen, war diese Wahl wieder einmal genau die Richtige.

Henry Gerlach erzählt als Ulrich Richental spannende Geschichten und überraschende Anekdoten über die Stadt und das Leben in der Zeit des Konstanzer Konzils. 

Über Henry Gerlach

Henry Gerlach ist Literatur- und Kunstwissenschaftler. Er hält Seminare über Kunstgeschichte, Rethorik und Wirtschaftsethik. Er arbeitet beim Europäischen Parlament und schreibt Restaurantkritiken.

Zudem ist Henry Gerlach Spezialist für das Konstanzer Konzil. Dass ich einen solchen Fachmann als Stadtführer an meiner Seite hatte, war mir erst im Nachhinein bewusst. In seiner Rolle als Stadt-Chroniker Ulrich Richental geht er ganz und gar auf. 

Absolut empfehlenswert! 

Übrigens…

Der echte Ulrich Richental war kein offizieller Teilnehmer des Konzils. Aus diesem Grund war er für seine Aufzeichnungen auf Informationen von anderen angewiesen. Er befragte Freunde und Bekannte und er ging, nach eigenen Angaben, von Haus zu Haus. Er zögerte nicht, seine Informanten zu bezahlen.

Man vermutet heute, ihm kam nach Abschluss des Konstanzer Konzils die Idee, seine Aufstellungen und Tagebücher in einer Chronik zusammenzufassen.

Infos zur Stadtführung:

Treffpunkt: Tourist-Info im Bahnhof
Dauer: ca. 1,5 Stunden
Kosten: 15,- € pro Person

Tickets und weitere Informationen über Konstanz-Info:
Konstanz Stadtführung*

Weitere Informationen über Konstanz:
Marketing und Tourismus Konstanz GmbH*

Herzlichen Dank an die Tourist-Information Konstanz* für die Einladung zur Stadtführung.

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